Gemeinsame Einsatzzentrale: bessere Koordination, mehr Geschwindigkeit
Seit rund einem Jahr arbeiten in Bern die drei Blaulicht-Organisationen unter einem Dach: Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst. Von den kurzen Wegen und der nahtlosen Zusammenarbeit profitieren alle. Der stellvertretende Schichtleiter Patrick Hängärtner nimmt Sie mit auf eine Frühschicht in der Kantonalen Einsatzzentrale (KEZ).
Briefing
Früher Morgen: Das Briefing beginnt. Wir erhalten einen kurzen Rückblick auf die Einsätze der vergangenen Nacht und der Schichtleiter des Nachtdienstes trägt eine lange Liste von Veranstaltungen und diversen Terminen vor. Danach ist es an mir. Ein paar organisatorische Informationen, dann teile ich die Arbeitsplätze zu. Wir gehen in die Zentrale, lösen unsere Kolleginnen und Kollegen der Nachtschicht ab und übernehmen den Dienst.
In der neuen Kantonalen Einsatzzentrale laufen alle Fäden zusammen: Wer in unserem Einzugsgebiet 112, 117, 118 oder 144 wählt, landet in den nächsten Stunden dieser Schicht bei mir oder jemand anderem aus dem Team der drei Blaulicht-Organisationen.
Dunkle Wolken im Tunnel
Kaum haben wir uns am Arbeitsplatz eingerichtet, geht auch schon ein automatischer Brandalarm ein, und zwar aus dem Brünnentunnel. Die Feuerwehr rückt bereits aus, während ich auf den Bildern der Verkehrskameras tatsächlich ziemlich viel Rauch im Tunnel feststelle. Mein Puls steigt an. In Absprache mit den Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr beordern wir zwei Patrouillen vor Ort. Inzwischen erkenne ich auf einem der Kamerabilder ein Fahrzeug, das ausserhalb des Tunnels auf dem Pannenstreifen steht. Aus der Motorhaube steigt dunkler Rauch. Zu brennen scheint aber nichts und die Ventilatoren im Tunnel sorgen jetzt schnell wieder für freie Sicht. Wir passen die Signalisation wieder an: freie Fahrt. Der Pannendienst ist aufgeboten und bereits unterwegs.
Medizinische Notfallunterstützung aus der Ferne
Bei vielen gleichzeitigen Anrufen kann es vorkommen, dass die jeweilige Zentrale nicht alle entgegennehmen kann. Diese Anrufe gehen in einen Überlauf/Ringruf und werden von einer anderen Zentrale bearbeitet. In der KEZ Bern haben wir den Vorteil, dass wir alle im selben Raum sind. So bekommen wir mit, wenn die Kolleginnen und Kollegen im Druck sind, und können unkompliziert und schnell unterstützen.
So auch in diesem Fall: Ich leite eine Anruferin an, wie sie eine Herzdruckmassage durchführen muss. Gleichzeitig sende ich den Einsatz an die Kolleginnen und Kollegen des Rettungsdienstes. Vom Rettungsdienst sehe ich: Daumen hoch, eine Amublanz ist aufgeboten und bereits unterwegs. Mit einem Seitenblick bekomme ich mit, dass auch eine Polizeipatrouille zum Einsatzort fährt, während ich der Melderin immer noch Anweisungen erteile. Wie ich feststellen kann, macht sie es sehr gut. Wir sprechen immer noch, als nach einigen Minuten eine Kollegin von der Polizeipatrouille die Anruferin bei der Herzdruckmassage ablösen kann.
VU auf HLS mit Verletzten
Haben Sie den Zwischentitel auf Anhieb verstanden? Wahrscheinlich nicht – aber für mich und meine Kolleginnen und Kollegen heisst das unmissverständlich: Verkehrsunfall auf der Autobahn, Personen sind verletzt. Weil es bei uns oft schnell gehen muss, ist eine zielgerichtete und präzise Kommunikation erforderlich. Das heisst, in erster Linie muss das Wo und Was enthalten sein.
Ein solcher Vorfall wird jetzt gleich mehrfach gemeldet. Schnell ist klar, dass mehrere Autos am Unfall beteiligt sind. Mindestens eine Person ist in einem Fahrzeug und kann nicht aussteigen. Da wir die Anzahl der verletzten Personen noch nicht kennen, bieten wir zwei Rettungswagen auf. Für die Rettung der Person im Auto alarmieren wir den Rettungszug der Berufsfeuerwehr. Die Polizeipatrouillen sind bereits unterwegs, zeitgleich werden die nötigen Hinweise an der Autobahn-Signalisation aufgeschaltet: «Achtung, Unfall!» und natürlich auch die reduzierten Tempo-Anzeigen. Via Verkehrsmeldezentrale Emmen lösen wir zudem eine Radiomeldung aus.
Schnelles Handeln ist in dieser Situation unerlässlich: Es gilt, die Rettungskräfte so schnell wie möglich vor Ort zu bringen. Diese sogenannten Erstalarmierungen und Sofortmassnahmen müssen in kürzester Zeit passieren. Die Massnahmen werden sofort mit den Partnerorganisationen abgesprochen und koordiniert. Bis zum Eintreffen der Polizeipatrouille vor Ort liegt die Einsatzführung bei der KEZ. In einem solchen Fall ist die Absprache unter den Partnerorganisationen von grösster Wichtigkeit.
Igel in Not
Nun meldet ein aufmerksamer Autolenker zwei kleine Igel, die sich am Strassenrand aufhalten. Ich verbinde ihn sogleich mit dem Wildhüter, dieser ist aber sehr weit weg an einem anderen Einsatz. Der Anrufer ist unter Zeitdruck, er sollte dringend weiter zu einem Termin. Mit etwas Überzeugungsarbeit kann ich ihn dazu bewegen, wenigstens kurz zu warten, bis die Polizeipatrouille vor Ort ist. Gemeinsam können sie die beiden kleinen, stachligen Erdenbewohner dingfest machen. Auf einem Bauernhof in der Nähe können die Kolleginnen und Kollegen eine Kartonschachtel besorgen, um die beiden Igel zu transportieren.
Ich melde die Patrouille gewissenhaft bei der Wildstation Landshut an. Mit einem verschmitzten Grinsen und nicht ganz so ernst gemeint, bieten mir die Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr und der Sanität ihre Unterstützung an. Mit einem noch breiteren Grinsen kann ich ihnen versichern, dass wir zurechtkommen. Die jungen Igel, die ohne Muttertier unterwegs waren, können durch die Patrouille wohlbehalten in die Obhut der Wildstation übergeben werden.
Trickbetrug mit Schockanruf
Immer wieder erhalten wir Anrufe von Personen, die ihrerseits von Trickbetrügern angerufen worden sind, mit dem sogenannten Enkeltrick oder indem sich jemand als Polizistin oder Polizist ausgibt. Dabei ist den Betrügerinnen und Betrügern wirklich nichts heilig: Eine perfide Masche ist, die Angerufenen mit einer schockierenden Meldung zu verunsichern.
Heute ist einer betagten Person erzählt worden, eines ihrer erwachsenen Kinder sei im Ausland verunfallt, man müsse nun schnell Geld für die Heilungskosten bezahlen. Im Verdachtsfall rufen Sie bitte immer die echte Polizei an auf der Nummer 117. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.
Debriefing
Inzwischen neigt sich unser Dienst dem Ende zu. Vor der Übergabe an die nächste Schicht besprechen wir in der Einsatzzentrale kurz die gemeinsamen Einsätze. Alle Partnerorganisationen können bestätigen, dass wir die heutigen Vorkommnisse gut bewältigt haben. Das ist genauso wichtig wie das Besprechen von Problemen: Auch aus gut verlaufenen Einsätzen können wir Erkenntnisse für andere Einsätze gewinnen. Offene Kommunikation und Kritikfähigkeit sind wichtige Bestandteile unserer täglichen Arbeit.
Die Wildstation liegt auf meinem Heimweg, also schaue ich noch kurz vorbei und erkundige mich über die beiden Neuzugänge. Die jungen Igel waren anscheinend nur kurze Zeit allein unterwegs und sind deshalb bei guter Gesundheit.
Danke für eure super Arbeit.
Herzlichen Dank für den unermüdlichen Einsatz der REZ sowie allen Einsatzkräften der KAPO BE.
Euch und euren Liebsten ein frohes Fest.