Rachepornografie: Wenn das Internet nicht vergisst
Handys gehören zu unserem Alltag, schnell wird etwas fotografiert oder aufgenommen. Genauso schnell wird es in Chats oder auf Websites verbreitet. Manchmal geschieht das, um jemanden zu demütigen oder aus Frust. So auch bei der sogenannten Rachepornografie.
«Der Fall beschäftigt mich noch heute», bemerkt mein Kollege von der Kriminalpolizei. Er schildert mir die Geschichte der 20-jährigen Frau S., die Opfer eines digitalen Racheakts wurde. Als Frau S. mit ihrem damaligen Freund zusammen war, drehte dieser ohne ihr Einverständnis ein Sexvideo von ihnen. Darauf ist er kaum zu erkennen, sie jedoch sehr deutlich. Nachdem sie die Beziehung beendet hatte, stellte er das Video auf diverse öffentliche Websites. Gegen den Ex-Freund von Frau S. wurde ein Verfahren eröffnet. «Mithilfe der Staatsanwaltschaft haben wir versucht, das Video aus dem Internet zu entfernen. Doch auch ein Jahrzehnt später ergibt eine einfache Internetsuche mit ihren Angaben gleich mehrere Treffer auf pornografischen Websites», erzählt der Ermittler.
Zirkulieren intime Fotos oder Videos einmal im Netz, ist es kaum möglich, diese vollkommen aus dem Internet zu löschen. Hinzu kommt, dass dadurch auch die Beziehungen von Frau S. zu den Menschen in ihrem streng religiösen Umfeld in die Brüche gingen. «Ihr wurde also nicht nur sexualisierte Gewalt angetan, sie musste damit auch ohne die Unterstützung ihrer engsten Vertrauenspersonen umgehen», berichtet mein Kollege nachdenklich.
Eine digitale Form der sexualisierten Gewalt
Was Frau S. widerfahren ist, nennt man umgangssprachlich «Revenge Porn», auf Deutsch Rachepornografie. Die verlassene und gekränkte Hälfte eines ehemaligen Liebespaars nimmt Rache, indem intime Bilder und Videos der anderen Person Drittpersonen zur Verfügung gestellt werden. Es handelt sich dabei um eine Form von sexualisierter Gewalt. Letztere kann sich auf unterschiedliche Art und Weise zeigen, z.B. durch anzügliche Sprüche, Entblössung, Aufforderungen zu sexuellen Handlungen oder Vergewaltigung. Die Motivation für solche Taten sind dabei Macht, Kontrolle, Erniedrigung und Demütigung.
Dass private Inhalte geteilt werden, ist im digitalen Alltag für einige Personen zur Normalität geworden. Doch selbst wenn intime Bilder oder Videos einvernehmlich aufgenommen und/oder miteinander geteilt werden («Sexting»), darf niemand diese ohne Erlaubnis der abgebildeten Person an Dritte weitersenden oder veröffentlichen. Dies verstösst gegen Persönlichkeitsrechte und kann zivilrechtlich verfolgt werden*. Sind Minderjährige beteiligt (freiwillig oder unfreiwillig), muss die Strafverfolgungsbehörde die Tat unter Umständen verfolgen. Das gilt auch dann, wenn die betroffene Person keine Strafanzeige erstattet hat.
Holen Sie sich Unterstützung
Betroffene von sexualisierter Gewalt tragen keine Schuld an dem, was ihnen passiert ist. Die Verantwortung trägt immer und alleine die gewaltausübende Person. Wer sexualisierte Gewalt erlebt hat, ist nicht alleine: Diverse Organisationen und Fachstellen unterstützen Betroffene dabei, das Geschehene zu verarbeiten oder sie auf ein Strafverfahren vorzubereiten. Wir ermutigen sie, sich an die Polizei zu wenden. Schliesslich ist es unsere Aufgabe, solche Taten aufzuklären. Betroffene werden dabei von Mitarbeitenden betreut, die spezifisch für dieses Thema ausgebildet sind.
- Sexuelle Gewalt (be.ch)
- Versenden von erotischen Bildern online (Sexting) (be.ch)
- Sexting – wenn zu viel nackte Haut zum Albtraum wird – Blog der Kantonspolizei Bern
- Versenden von erotischen Bildern online (Sexting) (be.ch)
- Übergriff im Chat: «Schick mer doch es Foti vo dr, Süessi» – Blog der Kantonspolizei Bern
*Stand Februar 2023: Aktuell wird das Sexualstrafrecht überarbeitet. Die unbefugte Verbreitung von entsprechendem Bildmaterial wird in diesem Zusammenhang ebenfalls diskutiert.
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