Polizei unterwegs – 8 Fragen an Nadja Kaltenrieder
Der Reiterzug ist die berittene Patrouille der Kantonspolizei Bern. Im zweiten Teil unserer Serie «Polizei unterwegs» erzählt unsere erfahrene Reiterin Nadja Kaltenrieder von den Vorteilen und Herausforderungen der Polizeiarbeit auf vier Hufen und davon, was diesen Dienst so besonders macht.
Die Kantonspolizei Bern kann auf eine lange Tradition zurückblicken: Seit 1914 verfügt sie über den Reiterzug. Rund 19 Reiterinnen und Reiter sorgen zusammen mit Pferden des Nationalen Pferdezentrums in Bern im ganzen Kantonsgebiet für Sicherheit. Zu den Hauptaufgaben der Reiterpatrouille gehören präventive Präsenz zeigen und das Community Policing, die sogenannt bürgernahe Polizeiarbeit. Zudem sind die berittenen Patrouillen unter anderem an Veranstaltungen und Ausstellungen präsent.
Doch wie wird man Mitglied dieser speziellen Einheit? Die Tätigkeit beim Reiterzug ist eine Nebenfunktion. Um Mitglied zu werden, sind eine abgeschlossene Polizeiausbildung sowie das Reiterbrevet des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport (SVSP) erforderlich. Nadja Kaltenrieder ist eine unserer erfahrenen Reiterinnen. Seit ihrer Kindheit hat sie eine grosse Passion für Pferde. Schon mit 14 Jahren besass sie ihr erstes Pferd und seit sechs Jahren geniesst sie ihre Freizeit im Sattel ihres Haflingers Alesco. Beruflich absolvierte Nadja eine Erstausbildung zur Medizinischen Praxisassistentin. Am 1. Mai 1999 trat sie dann in die Polizeischule der Kapo Bern ein. Derzeit ist sie in Erlach im Seeland stationiert und nun seit zwei Jahren bei der Reiterpatrouille. Nadja gibt uns einen Einblick in ihre Erfahrungen bei der Reiterpatrouille.
Was magst du am meisten an deiner Tätigkeit bei der Reiterpatrouille?
Ich finde es schön, Beruf und Hobby zu verbinden. Ich schätze die Arbeit mit den Pferden sehr. So hoch oben hat man einen völlig anderen Überblick über das Geschehen. Natürlich ist auch der grösstenteils positive Kontakt zur Bevölkerung ein sehr schöner Teil der Arbeit bei der Reiterpatrouille.
Was war die grösste Herausforderung, der du auf der Reiterpatrouille begegnet bist, und wie hast du sie gemeistert?
Für mich war es zu Beginn schon eine Herausforderung, mit den Pferden in einer dichten Menschenmenge oder im Stadtverkehr zu reiten. Die Sicherheit steht an oberster Stelle und man lernt schnell, dass die Pferde verlässlich sind. Ich bin immer wieder erstaunt, was unsere Ausrückpartner leisten. Auch in sehr lärmigen Situationen bleiben sie meistens völlig gelassen.
Wie sieht ein typischer Tag bei der Reiterpatrouille aus?
Wir treffen uns jeweils direkt in der Sattelkammer. Anschliessend begeben wir uns in den Stall, putzen und satteln die Pferde. Danach geht es auch schon los. Wir reiten grösstenteils in den Quartieren, aber auch in den umliegenden Wäldern sind wir anzutreffen. Neu begeben wir uns sogar in die Regionen ausserhalb der Polizeiregion Bern. So waren wir letztes Jahr zum Beispiel in den Regionen Berner Jura, im Seeland und im Oberland. Nach zwei bis drei Stunden geht es zurück in den Stall. Die Pferde dürfen ruhen, trinken und essen und auch wir machen eine kurze Pause. Anschliessend gehen wir nochmals rund zwei Stunden auf Patrouille. Danach gibt es für die Pferde Feierabend. Gerade im Sommer bekommen sie eine kühlende Dusche. Sie werden von uns geputzt, kriegen ihr Futter, das Material wird geputzt und schon ist der Tag vorbei.
Welche unerwartete Fähigkeit hast du durch deine Tätigkeit bei der Reiterpatrouille erlernt?
Dazu kann ich eine lustige Geschichte erzählen. Ich reite seit meiner Kindheit. Damals bin ich einmal ganz übel mit einem Pony über einen Sprung gefallen. Das Pony hat die Beine nicht hoch genug gehoben, die Stange kam zwischen seine Beine und wir sind beide gestürzt. Danach hatte ich wirklich grosse Angst vor dem Springen. Durch den Reiterzug habe ich mir ein Herz gefasst. Ich habe mir gesagt, es kann doch nicht sein, dass ich als Polizeireiterin nicht einmal über ein 40 cm hohes Hindernis, ein sogenanntes Cavaletti, springen kann. Ich habe mir einen Trainer gesucht und nehme nun mit meinem privaten Pferd wöchentlich Springstunden. Wir haben ganz unten angefangen, mit der Stangenarbeit. Mittlerweile springen wir richtige Sprünge und dies obwohl auch mein privates Pferd keine Ahnung vom Springen hatte. Es macht richtig Spass!
Was ist im Umgang mit den Pferden besonders wichtig?
Pferde sind weder Sportgeräte noch Maschinen. Es sind sensible Tiere, welche viel Einfühlungsvermögen von uns einfordern. Auch ein Pferd kann einmal einen schlechten Tag haben oder einfach keine Lust zum Arbeiten. Es ist deshalb bei jedem Einsatz wichtig, abzuschätzen, was dem Pferd an diesem Tag zugemutet werden kann und wo seine Grenzen liegen. Wir orientieren uns immer am Pferd, die Sicherheit ist ganz klar unser oberstes Gebot. Schliesslich wollen wir alle – Pferd und Reiter/-in – wieder gesund nach Hause kommen.
Kommen wir zum etwas persönlicheren Teil … Was steht ganz oben auf deiner Löffelliste?
Hmmm, meine Bucket List in Bezug auf die Reiterpatrouille? Das ist wirklich schwierig zu beantworten. Ich bin bereits wunschlos glücklich, dass ich beim Reiterzug dabei sein darf. Wenn ich jetzt einfach so einen Wunsch frei hätte, würde ich mir natürlich eigene Polizeipferde wünschen, klar!
Und jetzt noch unter uns: Hast du ein Lieblingspferd?
Ja, tatsächlich, ein süsser Freiberger namens Navi. Er ist einfach ein toller Partner und ich reite ihn sehr gerne. Obwohl er noch sehr jung ist, macht er alles mit und ist so unglaublich verlässlich und freundlich. «Mein» Pferd gibt es bei der Reiterpatrouille nicht. Die Kapo Bern hat keine eigenen Pferde. Die Polizeipferde werden beim Nationalen Pferdezentrum in Bern (NPZ) angemietet. Dort werden sie ausgebildet, gepflegt und versorgt. Einige Pferde sind schon lange dabei, andere erst seit kurzer Zeit. Es kann also gut sein, dass man ein Pferd bekommt und mit diesem auf Patrouille geht, obwohl man es vorher noch nie geritten hat. Ist dies der Fall, gehen wir mit dem Pferd zuerst in ein ruhigeres Quartier. Man kann schnell einschätzen, wie die Pferde sind und was ihnen zugemutet werden kann. Wir haben jede Woche die Möglichkeit, im NPZ an einem Training teilzunehmen. Zudem gibt es etwa vier bis fünf ganztägige Reitkurse pro Jahr.
Ist dir schon einmal etwas Unangenehmes/Peinliches auf der Reiterpatrouille passiert?
Etwas Peinliches nicht. Unangenehm oder einfach doof sind die Sprüche, welche wir immer wieder hören, beispielsweise ob wir die Kräuterbutter dabeihaben. Ich frage mich manchmal, wann es endlich so weit ist, dass dieser Witz nicht mehr gesagt wird.
Vom einen Sattel in den nächsten: Erfahren Sie im nächsten Beitrag, mit wie vielen PS unsere Polizistinnen und Polizisten der Bike Police in die Pedale treten…
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