Wie weiter, wenn Schlimmes passiert ist?
Oft arbeiten mehrere Organisationen mit der Polizei zusammen. Eine davon ist das Care Team des Kantons Bern: Seine Mitglieder kommen bei tragischen oder schwerwiegenden Ereignissen zum Einsatz, um den Betroffenen bei der psychischen Verarbeitung des Geschehenen zur Seite zu stehen. Die meisten Menschen haben davon schon gehört – aber was macht das Care Team eigentlich genau und warum?
Überraschend eintretende, schwerwiegende Ereignisse können bei Betroffenen, Angehörigen, Augenzeugen und Helfenden zu extremen Belastungen führen, in manchen Fällen sogar zu seelischen Überlastungen. Dies mit teilweise massiven Folgen für die Betroffenen. In der Akutphase eines Ereignisses wie zum Beispiel eines Unfalls stehen die Mitglieder des Care Teams unterstützend zur Seite.
«Wir sind nicht nur da, um irgendwie beizustehen. Wir haben einen klar geregelten gesetzlichen Auftrag», sagt Urs Howald, Leiter des Care Teams des Kantons Bern. Ziel dieser Nothilfe ist die Hilfe zur Selbsthilfe.
Wie es weitergeht, wenn die Erstbetreuung aufhört
Urs Howald beschreibt die Arbeit des Care Teams als Geländer, das in Situationen ausserordentlicher Belastung Halt geben und eine Richtung aus der akuten Krisensituation aufzeigen kann. Nach einer bestimmten Zeit endet das Geländer – Ziel ist, dass die Betroffenen fähig sind, den weiteren Weg selber zu gehen.
Nicht immer jedoch sind Betroffene bereits in der Lage, ihr Geländer endgültig loszulassen, wenn die Begleitung des Care Teams zu Ende geht. Bei Bedarf können die Betreuungspersonen Kontakte vermitteln zur weiteren Fachhilfe. Allerdings: «Theologen dürfen nicht missionieren, Therapeuten nicht akquirieren», erklärt Howald. «Wir lassen weder unseren Namen noch unsere Telefonnummer zurück, sondern ein Merkblatt mit Informationen über den Umgang mit belastenden Situationen», so Howald weiter.
Das bedeutet: Wenn eine Nachbetreuung der Betroffenen notwendig bzw. angezeigt und erwünscht ist, muss sie im Rahmen des ordentlichen Gesundheitswesens und der seelsorgerischen Strukturen durch entsprechende Fachpersonen und Institutionen erfolgen.
Das Care Team als unabhängige Organisation
Das Care Team des Kantons Bern wurde nach dem Canyoning-Unglück am Saxetbach 1999 kontinuierlich aufgebaut. Heute ist das Care Team als Milizsystem organisiert und verfügt über 180 zertifizierte Mitglieder. Diese Mitglieder setzen sich aus zwei Gruppen zusammen:
- Fachpersonen der psychologischen Nothilfe (Care Profis)
- psychosozial ausgebildeten Betreuungspersonen (Care Givers)
Das Care Team ist beim Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär des Kantons Bern angesiedelt. Es beruht sowohl auf staatlichen als auch auf kirchlichen Grundlagen und wird auch finanziell von Kirche und Staat getragen. Das Care Team handelt im Auftrag des Regierungsrates des Kantons Bern.
Die Mitarbeitenden des Care Teams unterstehen der Schweigepflicht. Bei der Arbeit stelle sich nicht die Frage nach Opfern, Tatverdächtigen, Auskunftspersonen oder Zeugen – das Care Team kümmere sich um «alle Betroffenen», erklärt Urs Howald. Anders als bei der polizeilichen Tatbestandsaufnahme gehe es bei der notfallpsychologischen Intervention nicht primär um Fragen nach Hergang und Hintergründen.
Rund um die Uhr einsatzbereit
Die Einsatzkräfte des Care Teams des Kantons Bern können jederzeit von den Blaulichtorganisationen angefordert werden: Ein Team von mindestens zwei Personen ist rund um die Uhr einsatzbereit. Die Mitarbeitenden sind während einer Woche pro Jahr bei der Sanitätspolizei Bern und weiteren Rettungsdiensten im Einsatz und während dieser Zeit jeweils auch dort stationiert. Bei grösseren Ereignissen können zusätzliche Mitarbeitende alarmiert und aufgeboten werden.
Mehrere hundert Einsätze leistet das Team jährlich; 2014 waren es rund 390 so genannte Alltagsereignisse – Ereignisse, die mit einem Polizeieinsatz verbunden waren: Verkehrsunfälle, unerwartete Todesfälle, Arbeitsunfälle, Suizide, häusliche Gewalt, Unterstützung der Polizei bei der Überbringung von Todesnachrichten, Begleitungen ins Institut für Rechtsmedizin (IRM).
Die Arbeit stellt hohe Anforderungen
Die Tätigkeit im Care Team ist «kein Schleck», entsprechend hohen Anforderungen müssen die Mitarbeitenden genügen: Neben Grundkenntnissen in der psychosozialen Nothilfe sowie genügend Lebens- und Berufserfahrung gehören eine gute Gesundheit, Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit und ein hohes Mass an sozialen Kompetenzen zum Anforderungsprofil eines Care Team Mitglieds. In einem Auswahlverfahren werden die Bewerber intensiv geprüft und selektioniert.
Die Ausbildung beinhaltet eine Grundausbildung in der Care Arbeit sowie Informationen über die Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen. Ein Praktikum bei der Sanitätspolizei Bern steht ebenso auf dem Ausbildungsprogramm wie eine Fachtagung.
Es geht immer um Leben und Tod
Während Polizei, Feuerwehr und Sanität hin und wieder auch weniger dramatische Einsätze haben, geht es bei der Arbeit des Care Teams immer um schwerwiegende und belastende Ereignisse. Die Herausforderung an dieser Tätigkeit ist die Nähe zu den Betroffenen. Im Rahmen des Gesprächs ist es unabdingbar, sich auf das Gegenüber einzulassen. Für die Verarbeitung der Ereignisse durch die Betroffenen sind solche Gespräche wichtig, für die Mitglieder des Care Teams aber nicht immer einfach.
Einer der wichtigsten Bestandteile der Ausbildung neuer Care Team Mitglieder ist deshalb, zu lernen, wie sie mit diesen Umständen umgehen und sie verarbeiten können. Schwierige Situationen werden zudem nach den Einsätzen intern besprochen, um die Verarbeitung zu unterstützen.
Mehr Informationen zum Care Team des Kantons Bern unter www.be.ch/careteam
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